Parzival – Eine Sage und ihre Wirkung

Wer oder was ist eigentlich Parzival?

Auf der Internetseite der ZDF Historien- und Naturserie Terra X findet man unter der Rubrik „Superhelden“ eine Einleitung in die sagenumwobende Geschichte vom Ritter Parzival. Hier gibt es ebenfalls eine 43-minütige Dokumentation zum Thema – sehr zu empfehlen.

„Der Roman über den unbedarften Helden, der erst lernen muss, einer zu sein, spielt in der gewaltsamen Welt der Ritter. Eine ebenso humorvolle wie tiefsinnige Antwort auf die verheerenden Verhältnisse im Römisch-Deutschen Reich zur Zeit der Kreuzzüge.

Wolfram von Eschenbach hat den Ritterroman über den „tumben Thor“ Parzival um 1200 verfasst. Er ist zwar nicht der Erfinder der Figur – das war der Franzose Chrétien de Troyes – doch hat er die Geschichte des schönen, aber unbesonnenen Helden weitergesponnen und zu einem Bestseller gemacht. Mit fast 25.000 Versen ist „Parzival“ das längste deutsche Erzählwerk seiner Zeit, mit über 100 Abschriften auch eines der beliebtesten im Mittelalter. Das liegt vor allem an den Themen, die der Dichter anspricht: Wolfram von Eschenbach geht es um ritterliche Wertevorstellungen, vorbildliche Herrscher und um die für ihn wichtigste christliche Tugend – Mitgefühl.“

Quelle: TerraX Superhelden (3/3): Parzival unter https://www.zdf.de/dokumentation/terra-x/superhelden-parzival-100.html (Text und Video)

 

Warum Parzival im Unterricht?

Die Geschichte um Parzival wird v.a. in deutschsprachigen Waldorf Schulen oder als Übersetzung auch in anderen Sprachen in der 10. Bzw. 11. Klasse als Epoche durchgenommen. Meist im Fach Deutsch wird die mittelhochdeutsche Lektüre zu einem großen Thema dieser Jahrgangsstufe. An der Waldorf Schule Windhoek ist Parzival organisiert in einer (in diesem Schuljahr) 4-wöchigen Phase des Kennenlernens, Erlebens und Hineinarbeitens in diese Sage. Das Alter der Schülerinnen und Schüler spielt hier eine große Rolle, denn es geht bei „Parzival“ um das sich-selbst Finden und dem Umgang mit Grenzerfahrungen, wie sie der junge Parzival auch machen durfte – spezifische Themen dieser Entwicklungsstufe der kindlichen Entwicklung – sozial/emotional und moralisch.

 

Die Reise

Nach unseren großen Mai-Ferien hatten die Schülerinnen und Schüler der 11. Klasse eine Woche lang Hauptunterricht als eine Art Einführung in die Geschichte um den Ritter Parzival. Die Hinführung und Vorbereitungen übernahm mein Kollege Rein, den ich schon letztes Schuljahr kennenlernen durfte und, der extra aus Stellenbosch (Südafrika) angereist ist, um mit den Schülerinnen und Schülern diese Reise zu machen. Die letzten Vorbereitungen für die zweite Phase wurden ebenfalls in dieser Woche getroffen, denn in Woche zwei ging es für meinen Kollegen, die 20 Elftklässler und mich auf eine Wanderung der besonderen Art. Wir wollten 5 Tage lang durch das Khomas Hochland wandern, auf dem sogenannten Khomas Hochland Trail – die Berge, die Windhoek sozusagen einrahmen.

Ein paar Infos zum Trail: In 4 Tagen legten wir eine Strecke von 45km und 600 Höhenmetern rauf und runter zurück. Im Detail:

Tag 1:

Strecke 15km

Höhenmeter 1300m – 1650m

 

Tag 2:

Strecke 8km

Höhenmeter 1650m – 1800m

 

Tag 3:

Strecke 15km

Höhenmeter 1800m – 1900m – 1400m

 

Tag 4:

Strecke: 7km (halbe Strecke)

– 1300m (Tag 4)

 

Weitere Infos, Karten und Bilder finden sich unter folgender Interesse. http://www.hikenamibia.com/

 

Alles, was wir für diese Reise brauchten, mussten wir auch selbst auf dem Weg tragen. So auch unser Essen, Zelte, Gaskocher usw. Manch einer/eine hatte sich gepäcktechnisch etwas überschätzt und musste sich mit zu viel unnötigem Gepäck durch die Wanderung schlagen.

 

Der erste Tag – Ankommen

Nun ging es also am Montag los, indem wir von der Waldorf Schule aus etwas in den Nord-Westen von Windhoek fuhren. Tatsächlich schafften wir es, 22 Leute plus Gepäck in einem VW Bus und einem Bakkie unter zu bekommen. An unserem Startpunkt, der Düsterbrook Guestfarm, angekommen, packten wir zum ersten Mal unsere Zelte aus und wanderten eine kleine 1,5-stündige Trainingstour rund um die Farm. Ein noch volles Flussbett lud anschließend die nicht so Kälteempfindlichen zum Baden ein. Den Abend ließen wir mit einem Braai und dem ersten Teil der Parzival-Saga ausklingen.

 

Der Dienstag – Harte erste Etappe

Der Dienstag war nun der erste richtige Teil der Etappe. Im Dunkeln, vor Sonnenaufgang, mussten bereits die Zelte eingepackt und das Feuer für das Frühstück vorbereitet werden. Jeder war in den kalten Morgenstunden – wir sind gerade im namibischen Winter – froh um eine heiße Tasse Tee oder Kaffee. Jeder Schüler hatte seine Essensrationen im Rucksack, musste sich also selbst sein Essen einteilen und in Gruppen über dem Feuer oder dem Gaskocher zubereiten. Mit den ersten Sonnenstrahlen räumten wir den Platz und starteten mehr oder weniger motiviert mit dem ersten Teil der Strecke. Wir hatten 15km und etwa 350 Höhenmeter vor uns. Zuerst einmal ging es allerdings relativ entspannt und in der kühlen Morgenluft durch das Flussbett. Gegen Mittag hatten wir bereits mehrere Hügel erklommen und waren über Felsen nach oben geklettert. Ohne zu Zögern kann ich dem Dienstag wohl den Titel „Glaube nie den Schildern“ oder „Nach jedem Berg kommt der Nächste“ geben. Auf etwa ¾ des Weges legten wir unsere Mittagspause ein und hörten den zweiten Teil der Saga, der sich aber erstmal nur mit Parzivals Familienangelegenheiten vor seiner Geburt befasste – mit Enthusiasmus vorgetragen von meinem Kollegen Rein. Die letzten Kilometer fühlten sich an wie Stunden und wir kletterten Fels um Fels nach oben, um dann schließlich erschöpft mit letzter Kraft unseren Schlafplatz auf dem Berg zu entdecken. Viele wunde Füße und verletzte Knöchel mussten verarztet werden. Doch nach einer halbwegs warmen Dusche und dem Abendessen war der Schmerz größtenteils vergessen. Wir waren froh, dass wir es geschafft hatten. Eine sehr kalte, mondhelle Nacht lag nun vor uns, nachdem wir am Feuer noch einen weiteren Teil von Parzivals Geschichte gehört hatten. Die extra Decke hatte sich spätestens ab dieser Nacht gelohnt.

 

Mitte der Woche – Eine entspannte Tour

Mittwoch war nun der entspannteste Tag der Wanderung, denn mit nur 8km mussten wir nur etwa die Hälfte der Strecke des Vortages zurücklegen. Zwar musste wieder eine ganze Weile geklettert werden, doch war die Strecke bis zum nächsten Camp relativ schnell zu meistern. Auf den Etappen wechselten mein Kollege und ich uns ab, d.h. immer einer in der Mitte der Gruppe, die sich nach und nach verteilte, und der andere als Schlusslicht am Ende, um die letzten Verwundeten einzusammeln. Ohne das Geschrei der bereits am Zeltplatz angekommenen Schülerinnen und Schüler, hätte wir vermutlich den Abzweig zum Camp verpasst – hinter einem Damm versteckt, war dieses gar nicht so leicht zu finden. Nach der Wanderung und einer kleinen Stärkung machten mein Kollege und ich uns auf, die Strecke für den nächsten Tag ausfindig zu machen, da wir vom ansässigen Farmer gehört hatte, dass die Beschilderung wohl auf diesem Teil sehr schlecht sei. So liefen wir bis zum eigentlichen Damm, in dem wir eigentlich baden wollten. Winterzeit ist aber eben auch Trockenzeit in Namibia und so ließen wir den Damm lieber bleiben und den Rindern ihre Tränke. Mit dem aufgehenden Mond und traditionellen Damara-Geschichten (namibischen Volk, verwendet Klicks in ihrer Sprache) am Feuer ging es dann schnell in die Zelte.

 

 

Der vierte Tag – Höhen und Schwindel

Mit dem Donnerstag stand uns der schönste und herausforderndste Tag unserer Reise bevor. Was wir an Höhenmetern in den letzten Tagen nach oben gelaufen waren, sollte nach einem kurzen Anstieg am Vormittag, wieder abgestiegen werden. Erst einmal gab es allerdings einen tollen Ausblick vom Plateau auf die Stadt Windhoek und das umgebende Khomas Hochland. Auf fast 2000m hatten wir einen tollen Rundumblick. Vom höchsten Punkt mussten wir uns bis ins Tal hinunter auf 1300m. Schon im Vorfeld war uns klar gewesen, dass nun der Teil gekommen war, auf dem wir Ängste überwinden mussten und uns selbst etwas beweisen konnten. Leitern und sehr enge steinige Pfade sollten uns ins Tal hinab führen. Trotz Angst vor diesem Teil der Strecke, schaffte es jeder und jede nach unten. Parzival ist auch deshalb eine Grenzerfahrung für jeden. In Gruppen erreichten wir das Flussbett im Tal, wo wir bis zur letzten Unterkunft nur noch dem Fluss folgen mussten. Ein Baumhaus, unsere letzte Schlafstätte, hatte es jedem angetan – ein toller Abschluss. Da wir nun an diesem Punkt unser Essen aufgebraucht hatten, hatten wir Zutaten für ein Potjie bestellt, die bei unserer Ankunft bereits im Baumhaus auf uns warteten. Am Feuer bei leckerem Essen konnten wir unsere Reise und die Geschichte um Parzival abschließen.

 

Der letzte Tag – Am Fluss entlang

Nach dem finalen Packen am Freitagmorgen mussten wir nun nur noch 7km am Fluss entlang zu unserem Treffpunkt mit den Autos gelangen, die uns abholen sollten. Wir kamen perfekt 15min vor dem ausgemachten Zeitpunkt an und konnten so als Gruppe noch einmal die Reise Revue passieren lassen und ein paar Gruppenbilder im Sonnenschein schießen.

 

Fazit

Eine Grenzerfahrung in vielerlei Hinsicht – ob Krafttechnisch oder in Bezug auf Höhenangst und Schwindel ging nun zu Ende. Wir hatten etwas geschafft, darauf kann man wirklich stolz sein. Die Sage von Parzival hat uns emotional die ganze Woche begleitet und wurde auch durch unsere Erfahrungen in die heutige Zeit getragen. Schwierige und schmerzhafte Momente ließen und fast aufgeben, Freunde und der Gruppenzusammenhalt motivierten uns weiterzumachen und dennoch sind wir froh um diese Erfahrung.

Für mich war mit dem Ende unserer Parzival Wanderung auch meine Parzival-Erfahrung zu Ende, denn in der folgenden Woche musste ich wieder wie gewohnt dem Unterrichten nachgehen. Für die 11. Klasse allerdings folgten nun noch einmal zwei Wochen intensive Nachbereitung. Erfahrungen und eigene Eindrücke mussten verarbeitet und anhand von Texten, selbstverfassten Gedichten und Zeichnungen in einem eigenen Buch zusammengefasst werden. Am Ende stand dann am Donnerstag der vierten Woche die Präsentation der Werke und Erfahrungen vor den Eltern und anwesenden Lehrern und Freunden.

Ich bin mir sicher, dass niemand von uns sich den Erinnerungen an diese aufregende Zeit entziehen kann und wir sicher auch noch lange davon erzählen werden.

 

Gegen Mitte nächster Woche wird noch ein Update folgen, in dem ich alles zusammenfasse, was in letzter Zeit so passiert ist.

Bis dann 🙂

 

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